Die Realität sieht allerdings so aus, dass lediglich wenige reiche Kommunen hierauf verzichten können (Frankfurt, Eschborn), die meisten der insgesamt 423 hessischen Städte und Kommunen jedoch nicht. Straßen sind Teil der allgemeinen Infrastruktur und sollten aus Steuermitteln bezahlt werden. Deshalb stellte die SPD-Landtagsfraktion in der letzten Woche nunmehr zum 3. Mal den Antrag auf vollständige Abschaffung der Straßenbeiträge und Finanzierung durch das Land. Er wurde in die Ausschüsse verwiesen. CDU und Grüne geben den Schwarzen Peter an die Kommunen weiter.
Nachdem – so die Mitteilung des Bürgermeisters – die Mehrheit der Fraktionen im Stadtparlament ihre Zustimmung zu einer „Abschaffung der Straßenbeiträge“ bekundet habe, stellt sich die Frage: Wie geht es weiter? Die Stadt wird auch weiterhin auf eine Kostenbeteiligung der Grundstückseigentümer nicht verzichten können. Die Alternativen zum bisherigen System der Einmalzahlung sind „wiederkehrende Beiträge“ oder eine Erhöhung der Grundsteuer. Was käme damit auf Grundstückseigentümer und Mieter zu?
Zur Beantwortung dieser Fragen hatten wir den Kommunalberater Norbert Leistner zu einer Bürgerinformationsveranstaltung eingeladen. Seit 2014 ist er gefragter Experte in Sachen Straßenbeiträge und hat in der Zeit Dutzende von Gemeinden in Bürgerversammlungen und Mandatsträger beraten. Zuvor war er 12 Jahre lang selbst hauptamtlicher Bürgermeister in Waldsolms. Im vollbesetzten Tagungsraum erfuhren Interessierte sehr fundiert und in Vergleichsrechnungen an realen Beispielen aus anderen Kommunen die Unterschiede zwischen den genannten Abrechnungsverfahren.
Beim bisherigen System des Einmalbetrages sind die direkt an der Baumaßnahme beteiligten Anliegergrundstücke beitragspflichtig, während „wiederkehrende Beiträge“ (WKB) die Grundstücke in einem definierten Abrechnungsgebiet, das wären in Eppstein die einzelnen Stadtteile, beitragspflichtig wären. Dadurch wird die Last auf eine wesentlich größere Zahl verteilt.
Um dies zu veranschaulichen, eine nicht ganz korrekte einfache aber das Prinzip veranschaulichende Rechnung: Bei 200.000 € anteiligen Kosten; Einmalbetrag für 20 direkte Anlieger, je Anliegergrundstück 10.000 €, WKB bei 500 Grundstücken im Stadtteil, je Grundstück 400 €, verteilt auf 5 Jahre somit 80 € im Jahr.
Bei beiden Systemen werden die Beiträge auf Grundlage der Grundstücksgröße, der Anzahl der Geschosse (=Nutzungsfaktor, d.h. 1 Geschoss NF 1,0 / 2 Vollgeschosse NF 1,25) und dem Beitragssatz pro qm ermittelt. Der Beitragssatz ist das Ergebnis aus den anteiligen Gesamtkosten (je nach Art der Straße 25, 50 oder 75% des Gesamtbetrages) geteilt durch die Gesamtfläche aller beitragspflichtigen Grundstücke. Beim WKB würden alle Grundstückseigentümer des jeweiligen Stadtteils, egal ob Durchgangsstraße oder Anliegerstraße, mit einem einheitlichen Beitragssatz belastet. Zu zahlen ist in den jeweiligen Abrechnungsgebieten nur, wenn tatsächlich Baumaßnahmen durchgeführt werden, und kann auf bis zu 5 Jahre verteilt werden. Einmalbetrag und WKB seien zweckgebunden, die Grundsteuer im Gegensatz dazu nicht, so betonte der Referent. Es bestünde die Gefahr, dass Haushaltslöcher gestopft werden, statt Straßen mit den Mehreinnahmen zu sanieren. Jedoch kann die Grundsteuer anders als WKB und Einmalbetrag auf die Mieter umgelegt werden.
Sicherlich wird die Einführung der WKB einen einmaligen administrativen Aufwand bedeuten. Als da insbesondere die Ermittlung der Grundstücksgrößen, der Zahl der Vollgeschosse wären oder die Gewichtung von Gemeindeanteil (Durchgangsverkehr) zum Anliegerverkehr für die jeweiligen Abrechnungsgebiete (prozentuale Durchschnittsverteilung Gemeinde/Anlieger). Bewährt hat sich aber auch einer Selbstauskunft der Grundstückseigentümer zu vertrauen. Das Land stellt je Abrechnungsgebiet 20.000 € zur Verfügung. Bei 5 Stadtteilen zuzüglich einem Gewerbegebiet würde das einen Gesamtbetrag von 120.000 € ergeben. Genug, um die Aufgaben extern zu vergeben. Danach wäre kein erheblicher Aufwand mehr zu verzeichnen, da lediglich Neubauten oder bauliche Veränderungen hinsichtlich der Geschossanzahl zu erfassen wären.
Zu erwähnen ist auch noch, dass es beim WKB Überleitregelungen für bereits belastete Grundstücke gibt, für die in zurückliegenden Jahren Beiträge gezahlt wurden Diese bleiben so lange beitragsfrei, bis rechnerisch die Summe der jährlich wiederkehrenden Beiträge für das Grundstück erreicht ist. Allerdings höchstens für 25 Jahre. Bei der Grundsteuer würden sie dagegen erneut belastet.
(Jürgen Baesler)
Wiederkehrende Straßenausbaubeiträge?
Haus- und Grundbesitzer kennen das Problem: Wird die Straße vor ihrem Grundstück grundhaft saniert, werden sie je nach Art der Straße in unterschiedlicher Höhe an den Kosten beteiligt. So auch in Eppstein und zwar zu zahlen als Einmalbetrag üblicherweise innerhalb von 4 Wochen. Da kann es sich auch um sechsstellige Beträge handeln, die existenzbedrohend sind. Die schwarz-grüne Landesregierung überlässt es nun den Kommunen, „freiwillig“ selbst zu entscheiden, ob sie Straßenausbaubeiträge erheben.